Molotow
news specials kalender info upload shop

ADA Special

Wir trafen Ray2, Coka29, Shir und Bn105 der Leipziger ADA Crew auf ihrer Crew-Weihnachtsfeier im Dezember 2004.

Interview


Stellt euch kurz vor.

Coka: Ich bin Coka29, ich hab mit dem Ray die ADA Crew 1995 gegründet.
Ray: Das war 95, ich sags dir. Das war noch mit Breakdance in der Fußgängerzone, das war gar nicht ohne. Zuerst haben wir beide zusammen gemalt und irgendwann kam Shir dazu. Vorher war noch Poker am Start, der war 1 Jahr lang dabei und Trick17 war auch kurz in der Crew.
Shir: Also ich bin der Shir, ich hab immer mit den Jungs abgehangen, hatte aber nie Bock was zu malen. Irgendwann hab ich mitbekommen, dass die Jungs Züge gemacht haben und das ging für mich überhaupt nicht klar. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass man das machen kann, dass das überhaupt geht. Ich hatte irgendwann mal 93 so eine Fernsehsendung gesehen, aus Dortmund, und da sind die Leute in so eine Halle rein gestiegen und haben ein Teil gemalt. Irgendwann hatten die Jungs hier einen Train klargemacht und irgendwie nach 5 oder 10 Zügen von denen hab ich mir gedacht
Coka: Wir hatten auch als erstes so einen Trashcar gemalt, also alte ausrangierte DDR Züge eben. Ganz kleine Hänger, das war schon sehr witzig und da hatten wir unser erstes Teil drangemalt, ich glaube mit Sparvar Dosen und einer Belton Silber Outline. Und das hat übelst geknallt.
Shir: Wir wussten ja damals nicht, dass es Belton Chrom gibt, wir haben immer mit Sparvar Chrom gemalt und nicht gerafft, wieso glänzt das bei uns nicht, wieso geht das nicht? Das war irgendwo so grau aber halt nicht chrom.
Coka (lacht): 10 Jahre hat er geschwiegen und jetzt darf er es endlich erzählen.
Shir: Mann, das belastet mich! Dann irgendwann haben wir auch Mad Flava gefunden, wir wussten ja nicht mal, dass es den überhaupt gibt.
Ray: Mit dem Mad Flava haben wir auch einige Stories zu erzählen. Dort hatten wir auch den ersten Kontakt mit Senior Keim und der meinte so eines Tags gegen 17 Uhr "Ja, jetzt muss ich mir hier noch 8 schöne Beltons holen und meinen Wholecar weitermalen"
Coka: Genau, da haben wir das erste mal gecheckt, dass man Züge nicht Mitternacht malen muss, sondern auch schon viel eher malen gehen kann. Heutzutage weiss das ja jeder, wir mussten das damals selbst rausfinden. Wir haben auch so ca. ein halbes Jahr gebraucht bis wir alle Yards kannten, das hat übelst lange gedauert.
Ray: Das Problem war, dass wir dann auch nach einem halben Jahr in allen Yards Hausverbot hatten und vorm I-Shop Arschtritte kassiert haben.
Coka: Die Oldschooler waren alle ein bißchen verkrampft, die konnten nicht so richtig damit leben, dass nach denen noch was kam. Sie hatten sich damals schon so ein bißchen bequem eingerichtet, haben alle 2 Wochen ein Teil gemacht, und dann waren auf einmal ein paar neue Leute da, die richtig Bock hatten was zu machen und richtig viel gemacht haben. Außerdem hatten sie Schiss, dass ihre Yards kaputtgehen. Aber im Endeffekt hatten wir das dann später auch und haben Leute Hausverbot erteilt.

Wie habt Ihr angefangen?

Coka: Der Shir und ich haben ca. '92 / '93 zusammen angefangen zu malen, und zwar durch den Bruder eines Kumpels der ein Leipziger Oldschooler war.
Ray: Ich hab damals Leistungssport gemacht und konnte das irgendwann nicht mehr tun und bin dann durch einen Ferienworkshop in der Villa zu Graffiti gekommen. Ich hab dann die Jungs kennen gelernt und fand die ganz cool. Wir waren dann öfter zusammen auf Hardcore Konzerten. Die anderen drei waren ja noch relativ skate aktiv.
Bn105: Genau, Coka und ich sind in der siebten in eine Klasse gekommen und wir sind zu der Zeit schon Skateboard gefahren. Shir auch. Ich will nicht sagen das Skateboarden und Graffiti nah bei einander liegt, aber die "Szenen" haben sich in Leipzig irgendwie überschnitten und die ganzen Sprüher haben da auch mit rumgehangen.

Bn, wie kommts zu Deinem Namen?

Bn105: Auf keinen Fall wird diese Frage beantwortet. Aber zu der 105 kommts ganz einfach, wir haben damals viel mit den SchWEden abgehangen, die wir bei einer Aktion kennen gelernt hatten. Wir hatten zu der Zeit Stress mit "den Männern" und wollten einen "Alles Dumme Assis" End2End malen. Die Aktion ist schief gegangen und da haben wir die Schweden getroffen.
Coka: Die waren damals genauso verhasst wie wir und dann waren wir ein ganz gutes Team.
Bn105: Wir haben dann festgestellt, dass ich damals genau neben denen gewohnt hab und dann haben wir ein halbes Jahr mehr oder weniger bei denen gewohnt. Wir haben bei denen den Abwasch gemacht, mit denen das Fressen geklaut und den ganzen Tag abgehangen. Am Anfang waren die Schweden sehr cool, wir haben uns eine Weile gegenseitig gepusht und hochgezogen. Wir haben so miteinander gelernt, sind miteinander gut bomben und malen gegangen. Wir haben auch irgendwie immer Netzwerkcomputer gespielt, und in irgendeinem von meinen Alias war dann die 105. Die war dann irgendwie so eine Art Top-Level Crew für alle Leute die mit den Schweden abgehangen haben.
Shir: Das wurden dann immer mehr Kunden und das war auch der Grund warum wir uns dann ein bisschen verstritten hatten und die ganze Sache auseinandergebröckelt ist.
Bn105: Manchmal kommt man mit gewissen Menschen einfach nicht klar und bei ein paar von den Leuten war das definitiv der Fall.
Ray: Naja, trotzdem haben wir mit denen gute Stories erlebt.
Bn105: Zum Beispiel die am 23.12.'97 oder '98. Das war eine übelst geile durchgeplante Aktion, mit dem Grünau Mob, also K2M und so weiter, den Schweden, der LND und uns. Wir haben uns bei den Schweden in der Wohnung getroffen und da hab ich vom Buja einen riesigen Porno Kaschmir Mantel bekommen und nen Koffer mit Polizeifunk bekommen. Den hatten wir da irgendwie damals am Start. Und ich hab dann mit diesem Koffer, ner Daisy und nem Knopf im Ohr gecheckt, dort wo jetzt am HBF der LVB Infoturm ist und die Jungs haben unten in der Unterführung zum Bahnhof "Fröhliche Weihnachten Leipzig" gebombt.
Coka: Das coole an der Aktion war einfach mal, dass es ein Haufen Leute waren und wir diese Unterführung komplett zugemalt hatten.

Erzählt mal mehr über solche "großen" Aktionen, die es damals gab.

Shir: Also, wir haben ja auch so ein paar Connections in andere Städte und die findet man ja weniger auf Jams sondern man trifft sich direkt beim Malen. Zum Beispiel in ***
Ray: Alles ging. Wenn wir uns so zurückerinnern an unsere Wochenenden, könnte man echt glauben, wir hätten nichts zu tun gehabt. Wir haben Dinger erlebt, da sind wir Nachts durch halb Ostdeutschland gefahren, mit dem Omsk mit 230 über die Landstrasse, überall gewesen und nichts ging, am Ende sind wir doch hier in Leipzig im Yard gelandet, nach sieben oder acht Stunden rumfahren.

Was heißt eigentlich ADA?

Coka: Der Grundbegriff war "Aerosol Dizzy Anarchist", also "vom Aerosol torkelnde Anarchisten". BN hat sich dann mal hingesetzt und noch die ganzen anderen Bedeutungen aufgeschrieben, so 52 Stück. Jetzt hat das eigentlich keine Bedeutung mehr als Crewname sondern ist ein Synonym für uns. Da will ich auch keine Einzelbedeutung mehr haben.
Ray: Wir waren ja auch nie so richtig HipHop oder so...
Shir: ... eher Punk Rocker ...
Ray: ... ja Du bist auch der Einzige der noch irgendwie so aussieht.
Bn105: Was gibt's noch für coole Geschichten zum Beispiel wie wir im Snowboardurlaub waren und grad mal vier Stunden dort und nichts Wichtigeres zu tun hatten, als Ray bei den Schweden zuhause anzurufen und zu fragen, wie viele Züge er schon gebombt hat. Wir waren dann 7 Tage snowboarden und er hat 11 Kisten geschrubbt, weil er zu Coka noch ein bisschen was aufzuschliessen hatte.
Ray: Ein anderes Mal wollten wir einen "Bulletproof" Wholecar malen, weil wir irgendwie fest von dieser Gruppe überzeugt waren und unbedingt unser Bild auf dem Albumcover haben wollten. Wir waren da grad so auf dem Laufsteg im Gange, hatten grade die komplette Kiste Chrom ausgemalt und dann kam eine Rangierlok mit nem Kunden und wir mussten abhauen. Man muß dazu sagen, dass wir damals noch nicht so clever waren beim Parken.
Coka: Man hat halt direkt vorm Yard abgeparkt.
Ray: Und da gabs dann auch nur einen Weg dahin und der führte durch einen Tunnel durch.
Coka: Ich muss das erzählen, ich bin gefahren: jedenfalls konnte durch den Tunnel nur ein Auto gleichzeitig fahren, und uns kam eine Karre mit hoher Geschwindigkeit entgegen, so dass wir vor dem Tunnel warten mussten. Das war dann ein BGS Lada, der aber wegen seinen total zugeeisten Scheiben nicht auf uns geachtet hat.

Es gab damals diese Gerüchte, dass es richtig Ärger gibt, wenn man in ein ADA Yard geht.

Ray: Ich glaub es gab da einmal eine Aktion.
Coka: Ja, ich erinnere mich, es gab damals zwar immer Stress aber so richtige Schlägereien gab es nie. Ich will nicht sagen, dass die Leute damals softer waren, aber sie haben sich nicht so extrem gebucht. Es hatte immer jemand irgendwelche Probleme mit jemandem anderen aber... wir hatten Ray. (Gelächter)
Bn105: Ich erinnere mich an eine Geschichte, wir waren im Eiskeller zu ner Jam, irgendwelche sinnlose Heidelbergscheisse. Auf jeden Fall gabs dann irgendwie Stress und Rumgemaule mit irgendwelchen Erzgebirgstypen, weil die rumgetaggt hatten, wie das auf ner Jam eben so ist, und was vom Ray gecrosst hatten. Auf jeden Fall war die Sache dann irgendwann befriedet und man kam mit einander ins Gespräch. Im Endeffekt sind wir dann irgendwann zu denen gefahren und haben mit denen einen Wholetrain gemacht, von beiden Seiten.
Ray: Du kannst das schon anders ausdrücken, wir haben einfach mal denen ihr Yard zerstört.
Bn105: Ja, die hatten ein relativ smoothes Yard...
Shir: ... relativ smooth? Das war das geilste Yard, was ich jemals gesehen habe. Irgendwo draussen, im Nichts, im Flutlicht.
Bn105: Wir waren noch voll die Kids, sind mit dem Zug dort runter gefahren, mit den Rucksäcken voll klappernder Dosen am BGS dort ausgestiegen, dann mit einem Auto abgeholt worden...
Coka: ... einem Auto mit Jeanssitzen ... (Gelächter)
Bn105: ... und dann durchs halbe Erzgebirge gefahren und sind noch auf so einer miesen Dorfjam gewesen.
Ray: Die wollten uns halt die örtliche HipHop-Culture zeigen und da ging einfach mal nicht so viel.
Bn105: Am Ende haben wir dann das Ding gerockt, Coka und Ray haben ein Panel gemalt und jeder einen Wholecar, der Shir und ich zusammen nen Wholecar, der Shir noch ein Panel und die Boys von dort haben auch noch ewig an einem Wholecar rumgeschraubt. Dann sind wir mit dem ersten Zug nach Hause gefahren, haben unsere klappernden Rucksäcke in die Ecke gehauen und sind an unseren Wholecars vorbei gefahren. Das war das geilste Gefühl. Das Ding ist... es gibt leider ein Crewmember, das von seinem Wholecar kein Foto hat. Das wird oft mir angelastet, ich sag jetzt mal nichts dazu.

Im "Graffitiart Sachsen" wurde ja auch Leipzig vorgestellt und da hieß es "ADA, die Styleschule Leipzigs".

Coka: Man muss dazu sagen, dass wir den Text nicht selbst geschrieben haben.
Shir: Was die ADA auch zur ADA macht ist zum einen erstmal dieses Straßenbombing-Ding, was wir im Prinzip mit der SWE richtig groß rausgebracht haben. Und vor allem das massive Tagging. Wir haben halt von den anderen Crews je 10 Teile in der Stadt gesehen und die sahen alle gleich aus, das hat uns extrem angekotzt. Wir wollten viel machen und wir wollten, dass jedes Teil anders aussieht. Und so haben wir uns zum zentralen Dogma gemacht, dass wir nur unterschiedliche Bombings malen. Alles bis dahin war "Stempeln" und bunt und wir haben halt die Stadt zugerotzt, auch weil wir irgendwie nicht so viele Kannen hatten. Wir haben den ganzen Tag bei der SWE abgehangen und haben Bombings geübt, dann sind wir losgegangen, mit 10 Skizzen in der Tasche, weil wir uns die Dinger alle gar nicht merken konnten, und haben die im Laufe der Nacht richtig abgearbeitet. Wir sind mit der letzten Bahn bis zur Endstelle gefahren und sind zurück in die Stadt gelaufen. Züge haben wir in der Zeit eher nebenbei mitgenommen.
Ray: Weil wir auch nie so richtig Yards hatten. Wir haben dann die Stelle gemacht, die bei den anderen nie klarging, aber das war keine einfache Geschichte und deshalb sind die Teile dort alle ziemlich schnell entstanden.
Shir: Bevor wir die ADA gegründet hatten, haben wir auch schon eine Weile gemalt gehabt und vor allem viel getaggt. Das war so ein Hobby von uns die 850er Eddings zu klauen und in den Strassenbahnen alles zuzuschießen, was nur ging. Wir hatten so einen Wettbewerb, wer in 4 Haltstellen die meisten Tags schafft. Einmal hätten sie uns beinahe dabei gebustet. Coka und ich hatten grad in der Strassenbahn Scheiben gekratzt (womit wir in Leipzig auch die ersten waren, die das richtig massiv gemacht haben) und da tippt uns jemand auf die Schulter "Fahrausweise bitte". Wir waren total geschockt, aber die hatten das gar nicht mitbekommen und wollten nur unsere Fahrscheine sehen, also haben wir denen irgendwelche Namen gesagt, die vollgeschwafelt und sind an der nächsten Haltestelle ausgestiegen.
Coka: Aber um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen, wir haben schon Skizzen gemalt, in der Schule war ich quasi nur anwesend und hab ansonsten gezeichnet.
Shir: Style war irgendwie schon das Wichtigste, wir haben ja die ganze Zeit nur gezeichnet, dass wir immer unterschiedliche Styles hatten.
Ray: Aber mal ganz ehrlich, Ihr habt ja unsere ersten Bilder gesehen, die waren klassisch verzockt, wie von allen anderen auch, aber das ist wie beim Sport "Übung macht den Meister", wenn ich 20 Mal am Train stehe wird der 21. eben besser als der Erste.
Coka: Ich finde auch eine Crew sollte nicht dann erst gegründet werden, wenn die Leute perfekt malen können und dann immer ordentliche Teile erscheinen. Das ist zwar schön, weil man dann nichts hat, wegen dem mal gedisst werden kann, aber die Leute gehören irgendwie nicht zusammen.
Bn105: Zum Thema "Zusammengehörigkeit", wir haben einfach Jugend miteinander verbracht und ich weiss nicht, wie viele Crews es überhaupt gibt, die das so straight durchgezogen haben. Das ist auf jeden Fall mein ADA Verständnis, mit einander groß geworden sein, miteinander Scheisse gebaut haben und jetzt hier Weihnachten dazusitzen, sich wieder einmal zu treffen. Gerade weil die meisten von uns weit weg von Leipzig sind. Auch wenn die Interessen, Business oder der Job mittlerweile vollkommen divergieren aber das hier haut immer noch grundsätzlich hin.
Shir: Und auch wenn zum Beispiel der Skom mal drin war und dann wieder nicht mehr, hängen wir heute noch ab und zu gern mit dem ab aber er passt einfach nicht in die Crew. Die 4 die hier dasitzen sind die Crew.

Wie hat sich eure Motivation zu Graffiti im Laufe der Zeit verändert?

Coka: Am Anfang die Streetbombings, die waren einfach dazu da um bekannt zu werden. Es ging wirklich darum den Namen zu pushen, ohne dabei irgendeinen Kunstfilm zu schieben. Gleichzeitig haben wir aber noch die Styles gemalt, weil die Leute halt wissen sollten, dass wir beides können. Irgendwann aber, nach fünf Jahren rocken, war die Luft raus, man hatte dann in Leipzig das was man wollte und mehr war mir nicht wichtig. Mir war scheißegal in Deutschland bekannt zu sein, mir war egal in Sachsen bekannt zu sein, vor allem weil ich finde, dass Leipzig sowieso in Sachsen die Stadt ist, auf die es ankommt, wenn Du irgendwo bekannt sein willst. Und Berlin scheißt sowieso auf alle anderen, deshalb ist es echt egal.
Ray: Man verändert sich auch selbst und hat vor allem noch ein Leben nach Graffiti. Finanzielle Interessen stehen irgendwo im Vordergrund und man hat den Interessenschwerpunkt irgendwie verlagert. Auch weil Graffiti vielleicht konträr zu dem steht, was man beruflich macht.

War das ein fließender Übergang?

Ray: Bei mir gab es ein Erlebnis, ich weiß nicht ganz, ob das sogar dann die letzte Aktion war, wir waren jedenfalls im Yard am Malen und dann hieß es plötzlich "Achtung, aufpassen, da kommt ein Auto rein" und mich hat das in dem Moment überhaupt nicht interessiert, ich hatte keinen Adrenalinstoß mehr. Vielleicht hat das an den Drogen gelegen, aber das hat mich irgendwie nicht mehr gepusht. In dem Moment hab ich mir gesagt, wenn ich davon keinen Kick mehr hab, dann kann ich es auch sein lassen.
Coka: Früher war es so, dass man ein übelstes Glücksgefühl hatte, wenn mal endlich wieder etwas klarging aber das war dann einfach weg. Du bist dann nur noch hingegangen, hast das Ding gemalt, am nächsten Tag ist es gefahren, schön! Und wenn Du Glück hattest, hat irgendjemand noch ein Foto davon gemacht. Dich selber hat das nicht mehr wirklich interessiert.
Bn105: Ich kann das ungefähr zeitlich fest machen, nämlich als wir alle zum Bund sind, da war Abi vorbei, der lustige Sommer war vorbei und dann waren wir irgendwie nicht mehr soviel hier in Leipzig.
Shir: Wir haben dann auch gemerkt, dass man anders zusammen Spaß haben kann wir brauchten dann nicht mehr unbedingt den Train am Ende des Abends.

Gibt es etwas, was Ihr zur momentanen Lage in Leipzig sagen wollt?

Coka: Im Vergleich zu damals sind es irgendwie richtig viele Leute geworden, das finde ich geil, denn da kommt richtig Competition auf. Was ich schlecht finde ist, dass die Competition dahingehend ausartet, dass die Leute kein eigenes Konzept mehr haben und alle mit dem gleichen Zeug versuchen irgendwie das Meiste oder das Tollste zu machen. Ich finde es ist richtig langweilig geworden.
Ray: Ich bekomme es ja nicht so richtig mit, nur dass immer mehr hinzukommt, das finde ich klasse. Finde allerdings eine Sache negativ (was ich nur so vom Hören-Sagen weiß) dass da irgendwelche Möchtegerngangster anderen Leuten extrem aufs Maul hauen, ohne einen Grund zu haben. So etwas darf echt nicht ausarten, das kann von mir aus im Battle vonstatten gehen, wir haben sowas damals ohne Scheiß auch auf der fairen Schiene klären können.
Bn105: Dinge verändern sich, aber das heißt nicht, dass es jetzt okay ist, wenn sich die Kids auf die Fresse hauen. Einer ist cooler als der andere aber sie bekommen stylemäßig nichts mehr auf die Reihe. Keiner malt ordentliche Streetbombings, geht's noch? Wir haben doch gezeigt wie es geht.
Shir: Ich finde es katastrophal, dass nichts Neues passiert und wenn ich mir zum Beispiel auf Farbsucht die Kommentare zu Bildern von Berlinern durchlese, da schreiben irgendwelche Spackokids "Uä, sone Scheisse, wie sieht denn das aus". Die haben überhaupt keinen Plan, quatschen irgendwas rum, weil sie nur fixiert auf das sind, was sie hier aus der Stadt kennen. Mit einem Horizont von zwölf bis Mittag. Und keiner probiert mehr etwas aus, das ist es ja, ich hab einen Haufen Scheiße gemalt, das geb ich ja zu, aber es ging darum sich weiter zu entwickeln!
Ray: Man muss halt immer noch schauen, wie ist Graffiti entstanden und wie haben das die Leute damals gemacht und muss es irgendwie selbst entdecken und ausprobieren, das ist das A und O und nicht ob man nach Berlin schaut oder München schaut oder sonst wohin. Natürlich sieht man andere Leute und ist von denen beeindruckt, und irgendwo nimmt man sich von jedem was mit, aber am Ende muss man doch seinen eigenen Weg gehen. Wenn Leute natürlich immer und immer wieder stempeln gehen, dann prägt sich das natürlich viel schneller ein, das ist auch eine psychologisch geile Taktik.
Coka: Sobald sie aber damit aufhören, werden sie vergessen. Und dafür spricht eigentlich auch dass wir heute dieses Interview geben, denn von uns ist seit vier Jahren nicht mehr viel Neues dazu gekommen. Trotzdem sind wir irgendwie in Erinnerung geblieben.

Was gibt es zum Thema "Checker" zu sagen?

Shir: Ein Checker hat die Aufgabe, Sicherheit für den Sprüher zu bringen, weniger in der Art, dass er nur sagt "da kommt jemand", sondern einfach, dass man im Hinterkopf hat "da passt einer auf mich auf."
Bn105: Durch meine zentrale Wohnlage und den Kontakt zu den Schweden haben wir halt immer bei mir abgehangen und sind malen gegangen. Zum Checken gehört halt auch Aktionen organisieren, Leute anrufen. Und es gibt übrigens einen coolen Trick, wenn man auf der Straße wissen will, ob ein Auto ein Blaulicht oben drauf hat und man das wegen den Scheinwerfern nicht so richtig sieht. Man bückt sich dann einfach hinter ein geparktes Auto und zwar derartig, dass das Dach des Autos die Scheinwerfer abschneidet.
Shir: Bn war glaube ich öfter rocken als ich, weil er einfach bei jeder Aktion dabei war.
Bn105: Und weil ich nie Farbe oder Kannen oder Caps dabei hatte, dachten wir, dass die Bullen niemals bei einem Richter einen Durchsuchungsbefehl für meine Bude bekommen hätten. Deshalb hatten wir auch bei mir unser Lager. Und warum ich selbst nicht gemalt hab? Weil ich ein Maltoy bin.

Seht Ihr Euch als Oldschool oder Newschool oder woran macht Ihr das fest?

Coka: Wir sind auf keinen Fall Oldschool, das sind Easy, Joy und Cookee hier in Leipzig, mehr nicht.
Shir: Wir sind so Middleschool ...
Ray: ... auf jeden Fall haben wir Abitur. (Gelächter)

Irgendwelche Grüße?

Coka: Das ist son Ding, Du vergisst irgendjemanden, und der ist dann sauer oder Du grüßt Leute, die Du eigentlich nicht grüßen wolltest. Deshalb gehen Grüße an alle die hier gegrüßt werden wollen.
Bn105: Einzig ein ganz großes Big Up an unsere Eltern. Und ein spezial Big Up an meine Oma die gestern 90 geworden ist. Respekt außerdem an CWS, die Crew mit der coolsten Brillenmode in Leipzig.
Shir: ... und mit Silvesterböllern, mit denen man Motorblöcke zersprengen konnte.
de

Updates

#1 #2

Links

Graffiti Art 12: Sachsen
:)